Die Allee
von Florentine Anders
Herausgeber : Galiani-Berlin; 1. Edition (13. Februar 2025)
Sprache : Deutsch
Gebundene Ausgabe : 352 Seiten
ISBN-10 : 3869713208
ISBN-13 : 978-3869713205
Klappentext
Aufwühlend und geschichtensatt: Übers Bauhaus, den Stararchitekten der DDR, zwei sich emanzipierende Frauen und die Fallen des Systems
Da ist der charismatische, von den Ideen des Bauhauses und der Avantgarde durchdrungene Idealist Hermann Henselmann, der nach dem Krieg zum Chefarchitekten Ost-Berlins aufsteigt und dort in Konkurrenz zu den West-Berlinern um Scharoun & Co. treten soll. Der Berliner Fernsehturm, die Stalinallee, der Leipziger Uniturm sind mit seinem Namen untrennbar verbunden. Der Preis freilich: Ständig muss er lavieren und manchmal auch zu Kreuze kriechen, um wenigstens die Grundlagen seiner modernistischen Ideen vor den stieseligen Vorstellungen der Politführung zu retten. Und da ist vor allem Henselmanns Frau Isi, hochbegabt, die auch als Architektin arbeiten will, aber mit einer auf acht Kinder anwachsenden Familie zu kämpfen hat, ständig die Scherben aufkehren muss, die ihr Mann hinterlässt, und sich zunehmend selbst emanzipiert. Und da ist die Tochter Isa, die sich der erstickenden Manipulation durch den cholerischen Vater entzieht, um ihren dornigen eigenen Weg in ganz anderen Milieus zu gehen. Und dann auch noch die eng verwandte Familie Robert Havemanns, bei dem Kompromisse wenig zählen und der sich der staatlichen Bevormundung komplett verweigert.
Mein Fazit
Die Allee von Florentine Anders ist ein wundervoller Blick auf ihren Großvater, sein Schaffen und sein immer noch währendes Werk. Hermann Henselmann der große Architekt der ehemaligen DDR. Es ist ein Blick auf sein Leben geprägt vom Kampf gegen eine Regierung, die ihn nie wirklich verstanden hat aber ihm dennoch große Bauten zustanden.
Hermann Henselmann
Seine lebenslange Leidenschaft für die Ideen des Bauhaus-Stil und der Moderne. Aber auch ein Blick auf sein Leben als Ehemann von Isi und Familienvater, der sich doch auch das Recht nahm Geliebte zu haben und seinen Unmut leider auch durch Schläge an einen seiner Söhne aber ganz besonders an Isa, einer seiner Töchter ausließ. Beim Lesen spürte ich förmlich sein Charisma und seine Liebe für die Architektur. Besonders beeindruckt hat mich gleich zu Beginn des Buches seine Konsequenz gegenüber ehemaliger Hitler Befürworter in der nach dem Krieg neugeschaffenen Behörde. Eigentlich hat mich seine gesamte Entschlossenheit, sein Freigeist und seine bis heute noch vorhanden Bauwerke beeindruckt. Ich kenne zwar den Fernsehturm in Berlin auch die Stalinallee, aber ich hatte da keinen Architekten dafür auf dem Schirm.
Isi Henselmann
Seine Frau Isi empfand ich teilweise sehr blass in ihrer Person, die gegen Ende und im Alter dann doch mehr und mehr zu einer starken und bewundernswerten Frau. Das nahezu perfekte Gegenstück zu Hermann Henselmann und doch in sich teils unglücklich. Obwohl sie sich hautsächlich in seinem Schatten hielt, ihm acht Kinder gebar und diese eigentlich immer nur durch Kindermädchen aufziehen ließ, niemals selbst kochte und immer ihrem Traum von einem Architekturstudium hinterher rannte konnte sie Erfolge feiern. Hier hatte ich zwar von der in der DDR führende Frauenzeitschrift Sibylle, „Zeitschrift für Mode und Kultur“ im Gedächtnis. Jedoch wusste ich nicht diese auch einige Artikel über die Inneneinrichtung beinhaltete und von Isi Henselmann unter ihren Mädchennamen veröffentlichte. Zudem ‚durfte‘ Isi auch Küchen und Bäder für die Plattenbauten entwerfen. Dies klang zwar etwas befremdlich für mich, die in der BRD aufgewachsen ist, aber doch auch sehr spannend.
Isa
Isa, die Tochter von Isi und Hermann Henselmann, eben jene Tochter die all die Wut ihres Vaters und die Ablehnung ihrer Mutter erleiden musste, ist für mich die heimliche Heldin dieser Lebensgeschichte. Mutig und kraftvoll, verletzt und doch immer sie selbst bleibend hat sie so viel überstanden. Anders als ihre Geschwister, die in der Geschichte immer wieder auftauchen ist sie es die trotz allem immer der DDR treu war und doch auch ein selbst bestimmtes Leben lebte. Sich der Stasi widersetzte und auch die ‚Tripperburg‘, in die sie grundlos eingeliefert wurde weil sie sich widersetzte, nach außen hin schadlos überstand. Ja, Isa ist meine Helden des Buches. Sie ließ ihren Kindern all die Freiheit, die sie zwar auch auf gewisser Weise erlebte, um sich zu entwickeln und als starke Person im Leben zu stehen.
Florentine Anders hat es wirklich geschafft Zeitgeschichte, persönliche Belange und die Abgründe der Regierung der damaligen DDR in ein so tolles Werk zusammen zu fassen! Ich bin wirklich glücklich, dieses Buch gelesen zu haben und so viel mehr als nur ‚Augenzeugenberichte‘ zu einer vergangenen Zeit mit großen Bauten und noch größerem Mut gelesen zu haben!